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Weihnachtsgruss – In der Adventszeit setzen wir uns gerne vor eine brennende Kerze, um in ihrem Licht Ruhe zu finden. Seit jeher haben Kerzen eine besondere Anziehungskraft auf Menschen ausgeübt. Das Kerzenlicht ist ein mildes Licht. Gegenüber der grellen Neonbeleuchtung erhellt die Kerze unsern Raum nur teilweise. Es läßt manches im Dunkel. Und das Licht ist warm und angenehm. Die Kerze ist keine funktionelle Lichtquelle, die alles gleichmäßig ausleuchten muß. Vielmehr spendet sie ein Licht, das von vornherein die Qualität des Geheimnisvollen, des Warmen, des Liebevollen in sich birgt. Im Kerzenlicht kann man sich selbst anschauen. Da sehe ich mit einem milden Auge auf meine oft so harte Realität. In diesem zarten Licht wage ich es, mich wahrzunehmen und mich Gott hinzuhalten. Da kann ich mich selbst annehmen.

Das Licht der Kerze erhellt nicht nur, es wärmt auch. Es bringt mit der Wärme Liebe in Dein Zimmer. Es erfüllt Dein Herz mit einer Liebe, die tiefer und geheimnisvoller ist als die Liebe der Menschen, mit denen Du Dich verbunden weißt. Es ist eine Liebe, die aus göttlicher Quelle strömt, eine Liebe, die nie versiegt, die nicht so brüchig ist wie die Liebe zwischen uns Menschen. Wenn Du dieses Licht in Dein Herz dringen läßt, dann kannst Du Dir vorstellen, dass Du ganz und gar geliebt bist, dass die Liebe alles in Dir liebenswert macht. Es ist letztlich Gottes Liebe, die Dir da entgegenleuchtet. Das Licht der Kerze entsteht, indem das Wachs verbrennt. Das ist ein Bild für eine Liebe, die sich verzehrt. Sie kann das tun, weil genügend Wachs vorhanden ist. Sie braucht nicht zu sparen. Aber manchmal muß man den Docht zurechtschneiden. Sonst wird die Flamme zu hoch und rußt das Zimmer ein. So gibt es auch eine Liebe, die zu laut ist, in der Du Dich verausgabst. Sie tut dann nicht nur Dir, sondern auch dem andern nicht gut. Er spürt den Ruß in der Liebe, die Nebenabsichten, das zu sehr Gewollte und Gemachte, das den andern nicht erhellt, sondern eher verdunkelt.

Die Kerze besteht aus zwei Elementen: aus der Flamme, die das Geistige symbolisiert, da sie zum Himmel emporsteigt. Von Mönchsvätern in der Wüste wird erzählt, dass ihre Finger beim Beten zu Feuerflammen wurden. So ist die brennende Kerze ein Bild für unser Beten. Es ist ein beliebter Brauch, dass Pilger am Wallfahrtsort eine Kerze entzünden und sie auf den Altar oder vor eine Marienstatue stellen. Sie drücken damit ihren Glauben aus, dass ihr Gebet weitergeht, solange die Kerze brennt. Und sie hoffen, dass durch ihr

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Gebet Licht in ihr eigenes Leben kommt und in das Herz der Menschen, für die sie diese Kerze anzünden. Das zweite Element der Kerze ist das Wachs, das verzehrt wird. Für die frühe Kirche war daher die Kerze ein Symbol für Christus, der zugleich Gott und Mensch ist. Das Wachs ist Bild für seine menschliche Natur, die er aus Liebe für uns hingab. Und die Flamme steht für seine Göttlichkeit. So erinnern uns die Kerzen, die wir im Advent und an Weihnachten anzünden, an das Geheimnis der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. In der Kerze ist Christus selbst mitten unter uns. Und es ist Christus, der mit seinem Licht unser Haus und unser Herz erhellt und es mit seiner Liebe erwärmt. Die Göttlichkeit Jesu leuchtet gerade in seiner menschlichen Natur auf. So ist die Kerze auch ein Geheimnis unserer eigenen Menschwerdung. In unserem Leib möchte Gottes Licht in dieser Welt aufstrahlen. Seit der Geburt Jesu in der Nacht unserer Welt leuchtet Gottes Licht in jedem menschlichen Antlitz auf. Ich wünsche Dir, dass Du in der Adventszeit für viele Menschen zum Licht wirst, das einen milden Schein wirft auf alles, was sie in sich selbst nicht anschauen möchten. Dann wirst Du wie die Kerze für sie zu einer Quelle des Lebens und der Liebe.

Anselm Grün:  Weihnachten – Einen neuen Anfang feiern
Wien: Herder 1999

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